Das Gefühl nicht dazuzugehören fing früh an.
Ich kannte nur wenige oder eher keine Kinder, deren Eltern sich getrennt hatten. Es war immer mit einem erstaunten ‚Ohhh‘ zu rechnen, wenn ich das erzählte. Nicht mehr und nicht weniger. Unverständnis, Abwendung vom Thema, immer dieselben Folgen. Ich hatte das Gefühl nicht normal zu sein, ich erinnere mich daran, ich vermute es nicht.
Dann ein Leben mit einer fremden Kultur. Die ich bisher nicht in mich integrieren konnte. Für die in dieser Gesellschaft kein Platz ist. Wer weiss schon was über den Iran, außer dass er das nächste Ziel von Bush gewesen wäre, könnte er an der Macht bleiben? Was fange ich damit an, dass ich mich mit dem Orient verbunden fühle in dieser Gesellschaft?
Über sexuelle Übergriffe auf Kinder will eh keiner was wissen, ist eine ekelhafte Vorstellung.
Außerdem war keiner da mich zu retten, ich blieb alleine mit diesem Wichser.
Es ist keine offene Interpretation, Vermutungen, sondern mein Erleben war so: ich erlebe anderes, Dinge, die wichtig und prägend sind und die anderen erleben es nicht. Die erleben Dinge, zu denen ich wiederum keinen Zugang hatte oder habe.
So fing ich an mich abzuwenden.
Ich wollte auf mein Internat. Erstens abseits dieser Gesellschaft, allerdings zweitens kann ich auch diese Erfahrung nicht teilen, sie gehört nicht zum normalen Erfahrungsschatz im Deutschland des 21. Jahrhunderts.
Dort war ich aber innherhalb dieser Gesellschaft integriert, hatte meinen Platz, wenn auch nicht unter den Reichen. So doch mittendrin. Anerkennung, Freundschaften, ein Zugehörigkeitsgefühl wie nie wieder in meinem Leben. Gerade jetzt wird mir vielleicht zum ersten Mal in meinem Leben klar, warum ich diese Schule so abgöttisch geliebt habe.
Mein Kiffen ist eine auch eine Abgrenzung gegen die Gesellschaft. Es ist illegal, es gehört nicht zum guten Ton, wie das Glas Sekt. Es ist schmuddelig und Kiffer sind alle träge und blöd. Es ist gesellschaftlich nicht anerkannt. Vielleicht mag ich es deshalb auch so gerne. Abgesehn davon, dass es keinen angenehmeren Rausch für mich gibt als den einer Grasstüte. Wenn Rausch, dann der.
Dann hab ich studiert, eine seltsame Synthese aus Abwendung und Hinwendung. Ich habe genau das studiert, von dem ich mich abgeschnitten fühlte. Um es zu verstehen, vielleicht auch um es, wenn auch nur intelektuell, in mich zu integrieren. Wenn der Berg nicht, kommt eben der Prophet. Allerdings begleitet von dem ständigen Gefühl keine Studentin im eigentlichen Sinne zu sein. Immer das Gefühl anders zu sein, an einem anderen Punkt zu stehen als meine Kommilitonen. Meine Freunde fand ich nicht unter Studenten, meine Fresse, wie unreif und kindisch ich die alle fand. Das was man sich so vorstellt. Partys, Bibliothek, neue Freunde, endlich ohne Eltern, Dosenfutter, aber sich von der Mama alle zwei Wochen die Unterhosen bügeln lassen. Nicht meine Welt.
Und dann habe ich den Erwartungen nicht standgehalten, habe meine Prüfungen nicht erwartungsgemäß abgeliefert, bin durchgefallen, habe wiederholen müssen und nur schlecht bestanden. Ich war also keine ordentliche Studentin, ausgeschlossen! ( Hätte ich mir mal von meiner Mutter die Unterhosen bügeln lassen!)
Nun kam der letzte Streich in diesem Trauerspiel und ich bekomme keinen Job. Wieder kein Anschluss, wieder das Gefühl nicht dazuzugehören, angenommen zu sein, an der Gesellschaft teilzuhaben, normal zu sein. Und ein Job ist wichtig für uns und unseren inneren Segen und Frieden. Es ist das, über was wir uns definieren. Fragen Sie mal Weber und die prothestantische Ethik.
Nun, man kann dem entgegenhalten, das heutezutage jedes dritte Kind das Kind von geschiedenen Eltern ist, in meinem Freudeskreis sind die intakten Familien seltener geworden als die nicht-intakten. Für eine Migrationspolitik hätte ich sicherlich vieles zu sagen und die Erfahrung in einem Internat gewesen zu sein hat wenigstens mir gut getan. Es ist auch normal arbeitslos zu sein.
Man könnte sogar allgemein formuliert sagen - als Soziologin – diese Gesellschaft ist individuell und pluralistisch. Es ist normal heutezutage nicht normal zu sein.
Aber das Gefühl blieb über alle Erfahrungen und Erlebnisse hinweg dasselbe. Nicht normal zu sein, außergewöhnlich zu sein, zu denken, zu fühlen. Gerade deshalb sind mir Freundschaften so wichtig, weil ich dort die finden kann, mit denen ich teilen kann, die an mir teilnhemen können und ich an ihnen. Und es gibt solche!
Ich habe mich im Gegensatz zum ausgeschlossen sein auch widerum immer als Kind meiner Zeit empfunden. Ich betreibe oft Dinge, von denen ich später mitbekomme, sie werden Mode.
Eigentlich bin ich ganz Kind dieser Gesellschaft.
Vielleicht ist es normal heutezutage sich ausgeschlossen zu fühlen, weil es kein einheitliches Bild mehr gibt und von irgendwas ist man immer ausgeschlossen, weil man das ist, was man ist - und nicht das andere, von dem man dann ja ausgeschlossen ist.
Vielleicht kann ich meinen Hass und meine Angst vor dieser Gesellschaft ruhen lassen. Und mich einfach verhalten, wie ich will und wie ich bin. Und doch noch meinen Platz hier finden.
Meine Angst ablegen hier nicht willkommen zu sein, unverstanden, missachtet und deshalb zu Recht depressiv und unhaltbar traurig.
Vielleicht muss ich mich nicht überanpassen. Muss nicht jedes der Ideale, die scheinbar zählen annehmen. Vielleicht ganz im Gegenteil. Ich muss auch nicht helfen. Sondern nur auf Grund dessen, was ich erlebt habe und dem was ich daraus ziehe für mich leben. Und finde so meinen Platz. Und mein Platz mich.
*Musik*
05.02.2008
Ich und die Gesellschaft
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