Ein Merkmal des posttraumatischen Stressyndroms ist der Umstand, dass das Opfer ständig, unabhängig von der Situation sich mit dem traumatischen Erlebnis beschäftigt. Das muss nicht heißen, das das Opfer an die genauen Umstände denkt. Oft sagt man, dass solche Menschen in Träumen heimgesucht werden davon.
Ich habe viel und intensiv geträumt. Von diesem einen Tag des Überfalls nie. Nicht einmal in meinem Leben habe ich davon geträumt. So dachte ich immer, ich habe nicht das Recht dazu mich als traumatisiert in diesem Sinne zu bezeichnen.
In meinem Bewusstsein allerdings sah das ganz anders aus. Und manchmal habe ich davon auch gesprochen. Aber niemals in dem Umfang, den es in mir einnahm. Für meine Verhältnisse habe ich dieses Trauma soweit ich es anstrebte verarbeitet.
Ich erinnere mich nicht mehr genau wie es war, aber ich weiß ich habe jahrelang damit verbracht mir zu wünschen, ich würde nicht mehr jeden verflucht verdammten Tag an einen einzigen Scheisstag in meinem Leben denken. Das tue ich nicht mehr.
Es war eine Parallelwelt in meinem Kopf. Es waren nicht die Bilder, manchmal waren es die Bilder. Es waren die Gedanken, die ich hatte. An keinen Tag in meinem Leben, keine 2 Stunden in meinem Leben erinnere ich mich so genau wie an diesen Tag, an diese Gedanken. Die Gefühle habe ich inzwischen verloren dazu. Ich weiß auch nicht, ob es so gut ist. Ob es wirklich verarbeitet ist. Oder doch inzwischen einfach ganz verdrängt.
Ich weiß nur, diese extreme Parallelwelt, in der ich jeden Tag daran denken musste, dass es passiert war, die existiert nicht mehr. Aber es existiert der Schmerz, dass ich das Gefühl habe es hat nie jemand erkannt. Es hat nie jemand ernst genommen, es hat nie jemand gesagt: Du hast ein Trauma erlebt, ich bin für Dich da, ich nehme den Schmerz ernst, so scheiß ernst wie er sich für Dich anfühlt, ich fühle mit Dir, ich lasse Dich nicht alleine, ich verstehe Dich, ich glaube Dir, dass Du jeden verfickt geschissenen Tag daran denken musst. Wie oft dachte ich in meinem Leben: ich habe es erlebt, ich weiß, warum ihr wegschauen wollt. Wenn ich könnte würde ich auch.
Ich glaube ich war oft alleine in meinem Leben, aber nie in meinem Leben war ich so alleine wie mit diesen Erinnerungen, mit diesem Gefühl. Das Gefühl eine lebende Tote zu sein.
Damit alleine, dass ich mich Tag für Tag fragte, ob ein normales Leben für mich je möglich sei. Ich habe nie wen gefunden, der mir sagte: Du hast nichts getan. Ich weiß das, jeder weiß das, dass Kinder, die traumatisiert werden denken es sei ihre Schuld und es ist nicht ihre Schuld. Aber ich habe es –bis vor vier Tagen- nie gesagt bekommen. Und es war mir soviel wert, dass ich hätte weinen können, wenn ich es zugelassen hätte.
Sowie ich nicht mehr die Gefühle erinnere, weil ich sie nicht zulassen will. Ich könnte mich sicher emotional erinnern, weil ich es eingepackt habe. Ich könnte sie eins zu eins hochholen, das weiß ich. Aber es gibt niemanden, dem ich so vertraue, dass er richtig reagiert. Keinen mehr, wenn ich aus der Klinik raus bin. Dort waren welche.
Aber vor allem ist mir klargeworden, und das ist heftig und wichtig für mich. Ich habe jahrelang eine posttraumatische Störung gehabt, habe jahrelang damit gelebt, habe versucht sie therapeutisch behandeln zu lassen, aber es hat nur bedingt geholfen. Und das ist nichts, was man mir ein- oder ausreden könnte. Ich habe es immer gewußt. Es gibt Dinge in mir, die weiß ich so sicher wie das Amen in der Kirche. Nur, dass ich sie immer wieder rechtfertigen oder erklären muss, das nervt mich tödlich. Auch vor mir selbst. Vielleicht auch nur wegen des Gefühls, es hat sie nie jemand nachempfinden wollen. Deshalb muss ich das alleine. Sie erklären, um sie ertragen zu können.
Ich wünsche mir darüber reden zu können. Es in mir hochholen zu können, wie viel Schmerz ich tagtäglich mit mir rumgeschleppt hab wegen des Sahnehäubchens dieses einen Tages. Es war damals schon so, dass ich es als Krone eines verpfuschten Lebens wahrgenommen habe. Es war damals schon so, dass ich wusste es ist nicht alleine dieser Umstand, sondern alles zusammen, was mich um den Verstand bringt. Zu der Erkenntnis brachte mit dem Charm des Lebens nichts mehr zu tun haben zu wollen.
Millionen Worte werden nicht ausreichen zu beschreiben, was es für mich bdeutet, dass ich hörte, dass das, was ich erlebt habe, diese situationsunabhängige ständige Durchlebung von Gedanken und Gefühlen- in meinem Fall das tagtägliche Zweifeln daran, ob ich lebensfähig bin oder doch eigentlich schon tot- tatsächlich ein Symptom des posttraumatischen Stressyndroms ist. Was es für mich heißt, dass es doch wirklich schlimm war. Jahrelang, jahrelang fast jeden Tag an ein und denselben Tag zu denken. Und es nicht mitteilen zu können.
Und doch, ich fühle mich noch immer alleine damit, habe das Gefühl es nicht richtig beschreiben zu können, das Gefühl mich erklären zu müssen.
Aber mal ganz ehrlich gesagt, ich verstehe, warum ich das Kiffen so liebe. Keiner hat es mir je so vertrieben, keiner je so erleichtert, keiner es mir so abgenommen wie dieses Zeug.
Diese tagtäglichen Gedanken über ein paar Stunden meines Lebens nicht hinwegkommen zu können, gefangen zu bleiben in Schmerz, Ohnmacht, Wut und Trauer. Ausgeliefert zu sein es nie zu vergessen, unfähig zu leben, da mein Kopf voll ist von Angst, Zweifel, Zerstörung. Dass sonst nichts an mich herankommen kann wie diese Gedanken und Gefühle und ich davon nie loskommen werde und fertig bin mit dem Leben ohne es je richtig gelebt haben zu können.
28.06.2008
PTSS
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