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Betreten auf eigene Gefahr

Eltern haften für ihre Kinder

Do not try this at home

20.11.2007

My Way

Der lange Weg zu mir


Geboren an einem sonnigen, schneegepulverten Wintertag mit stahlblauem Himmel.
An ein Leben mit Vater kann ich mich nicht erinnern. Der Legende nach mussten die Altmöchtegernhippies einen Swing ausprobieren, ich war drei oder vier Jahre alt würde ich sagen. Die Tochter des Hauses hörte Rumpelstielzchen auf bunter Platte und machte mir absichtlich gerne Angst. Mein Vater verliebte sich in seine Tauschpartnerin, so sehr, dass er liebeskrank wurde. Dies steigerte er in einem Selbstmordversuch mit Alkohol und Tabletten. Eine Zeitlang versuchte meine Mutter wohl zu retten, was zu retten war. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit ihr, da erklärte sie mir vorsichtig, wenn Papa und Mama nicht miteinander leben könnten, bei wem ich bleiben wolle? Klar die Mama. Und so war Papa eines Tages weg.

Stattdessen bekam ich Nico, eine schwarze Katze, die ich aber immer am Schwanz unter den Schrank rauszog, weil sie mit mir spielen sollte, was dazu führte, das sie eines Tages weglief und nie wieder kam. Die Trostweissekatze aus Stoff, die ich mir aussuchte lebt noch heute in meinem Bett. Mein damaliger bester Freund Alexander beschützte mich vor den bösen Nachbarjungen und starb bei einem Autounfall als wir 18 Jahre alt waren und uns gerade erst wieder getroffen hatten. Ja, wir spielten Doktorspiele und ich erzählte meiner Mutter stolz, was die Grossen könnten, könne ich auch. Ob ein Kind nicht doch sehr viel mehr mitbekommt, als man denkt, ist eine Binsenweisheit.

Wir zogen mit Linda und Marco zusammen, was anfangs sehr lustig war, dann aber nur noch nervig. Marco nahm sich mit Mitte zwanzig das Leben, wegen einer zurückgewiesenen Liebe.

Meine Eltern waren geschiedene Leute, da war ich gerade in die Schule gekommen.

Nachdem die WG nicht richtig funktionierte stellte meine Mutter mir ihren neuen Freund vor, den ich sofort nicht leiden konnte, er konnte alles, aber nicht mit Kindern umgehen. Das Verhältnis würde sich nie ändern. Wir zogen zusammen als ich acht war und da begann die wahre Hölle.

Ein kaputter Mensch, entwurzelt und verschroben in muslimischen Ansichten, die jeder Frauenrechtsvereinigung die Haare zu Berge stehen lassen würden. Inzwischen hat meine Mutter sich befreit, nachdem er ihr ein blaues Auge verpasst hatte, war die Beziehung endgültig vorbei. Wieoft ich meine Mutter wegen dieses kranken Mannes habe weinen sehen kann ich nicht sagen. Hinzuklam, dass er - neben seiner rasenden Eifersucht auf mich, die dazu führte, dass Telefone im Haus rumflogen, weil Jungs mich anriefen ( ja, der, der mich entjungfert hatte) und ich neue Klamotten versteckte, weil es nur Krach geben würde, dass ich neue Klamotten anhatte  - spielsüchtig ein Vermögen verspielte, mit dem man fast ein Einfamilienhaus hätte kaufen können.
Meine Musik durfte ich nicht laut hören, dafür lief persischsche Musik über den ganzen Tag im Haus. Meinen Vogel wollte er fliegen lassen, weil er so laut war. Da habe ich ihn lieber weggegeben. Meine Beine wollte er mir brechen, würde ich aus dem Haus gehen, an den Kragen ist mir gegangen, er fragte mich, ob mir Haare zwischen den Beinen wachsen. An meiner Konfirmation machte er einen dermaßenen Terz, dass meine Mutter und ich von meinen Grosseltern aus mit dem Taxi zwei Stunden nach Hause fahren mussten, weil er mit dem Auto schon losgefahren war. Am 50. Geburtstag meiner Mutter musste meine Mutter ihn besänftigen, da er meinen zukünftigen Mann, der eingeladen war eine reinhauen wollte, weil dieser einfach da war. „Scheise Deutsche“ war sein Lieblingsausdruck. Es heißt scheiss Deutsche wenn schon! Außerdem stinken alle Neger, und das ist nicht rassistisch, sondern ich solle mal an denen riechen, sie täten es wirklich.

Noch heute weiss ich nicht, was meine Mutter an ihn band, sie sagte einmal zu mir, dieser Mann sei der größte Fehler ihres Lebens gewesen. Und sie könne die Schuld an mir nie wieder begleichen.

Naja, meine Mama. Ich habe nie wen so geliebt und habe mich von nie irgendwem so geliebt gefühlt. Waren wir unter uns hatte ich die beste Kindheit der Welt. Sie überschätzte mich nie, unterschätze mich nie, wir konnten einander vertrauen, Gedanken des anderen lesen. Die Liebe meiner Mutter war und wird immer bedingungslos sein. Wenn niemand mehr mir helfen konnte, sie konnte es. Es ist wie Magie, wenn ich noch so verzweifelt oder traurig bin, wenn ich mit meiner Mutter rede bin ich danach beruhigt und frei. Ich kenne keinen Menschen mit so einem goldenen Herzen.


Als ich neun war ging ich raus zum Rollschuhfahren, weil ich die Stimmen meiner Freunde vor dem Fenster hörte. Ein Mann sprach uns an, ob wir eine Frau im roten Kleid gesehen hätten, er sei verabredet und zu spät. Nein, hatten wir zwar nicht, dafür den Typ am Hals. Ich spürte so sehr, dass ich in Gefahr war, dass ich meiner Freundin sagte sie dürfe ihm nicht sagen, wo sie wohne, er sei nicht vertrauenswürdig, vielleicht ein Dieb oder sowas. Tja, er hatte aber nicht sie, sondern mich ausgesucht. Er bestand darauf mich nach Hause zu begleiten, ich wollte das nicht, aber ich wollte nach Hause, mir war nicht wohl. Als ich die Haustüre öffnete laberte er etwas davon, was für schöne Wandkacheln wir im Flur hätten und ich dachte wirklich, was will der, was labert der für ein Scheiss. Beinahe hätte ich es geschafft, aber als ich die Wohnungstüre öffnen wollte ( Schlüsselkind, meine Mutter musste den Lebensunterhalt für einen Spielsüchtigen organisieren) riss er mir den Schlüssel aus der Hand, hielt seine Hand vor meinen Mund, zerrte mir an den Haaren und verschleppte mich. Ich erstarrte zu Todesangst. Ich dachte ich müsste sterben, weil mein Leben nichts wert sei.

Er wollte in den Keller, die Türe war abgesperrt und ich dachte nur nicht in diesen ekligen Keller bitte. Da sah ich, dass der Schlüssel zur Kellertür im Schlüsselloch steckte und schloss haarscharf, dass er es aus seiner Position heraus nicht sehen konnte und dachte mir, von mir wirst Du es sicher nicht erfahren. Ich hatte Recht, er gab es auf, und zerrte mich stattdessen in den obersten Stock des Hauses.

Keine Türe öffnete sich, niemand ging durchs Haus.

Er stand hinter mir und sagte die ganze Zeit er würde mir nichts tun. Ich hörte ein Klappern, ich dachte das sei ein Messer, er würde mich abstechen. Es war sein Gürtel. Er öffnete seine Hose und begann sich an mir zu befriedigen. Ich schwor mir nie in meinem Leben etwas mit Sex zu haben zu werden. Nie.

Anfassen sollte ich ihn auch. Plötzlich lies er von mir ab, verschwand mit den Worten ich dürfe niemandem etwas erzählen. Ich wusste, dass das solche Leute sagen und dachte, ich sag klar, aber ich würde es erzählen. Ich würde mir keine Schuld geben. Und ich würde es mein Leben nicht vergessen, wie ekelhaft Erwachsene gegenüber Kindern sein können.

Ich zählte tatsächlich, aber nicht bis hundert, wie er es mir befahl, ich fing an mich langsam zu bewegen. Alles weitere ist zu verorten unter einen geschockten, aber gefassten Mutter und unsensiblen Polizisten, denen es so peinlich war, dass sie kicherten während des Verhöres ob meiner Bezeichnung ‚Glied‘: Was hätte ich sagen sollen? Schwanz?

Gefasst und zur Rechenschaft gezogen wurde er nie, inzwischen ist es verjährt. Noch heute denke ich manchmal es war mein Stiefvater, aber ich hätte ihn ja erkannt. Und er war es nicht, es war ein Fremder. Zweimal im Leben sind mir Menschen begegnet, die ich fande ihm ähnlich sahen.

Und dieser Scheißtag lies mich nie wieder los. Heute ist er nicht mehr jeden Tag präsent. Die Angst sterben zu müssen, weil ich nichts wert sei, die war es, die in mir etwas zerbrechen ließ. Es war bis dato soviel scheiße gelaufen, ich empfand einen möglichen Tod als Konsequenz.
Und habe wohl doch Schuld empfunden. Schuld schlecht zu sein. Ist für einen Erwachsenen schwierig nachzuvollziehen.
Rollschuh bin ich nie wieder gefahren, Kleider trug ich keine mehr, weil ich an dem Tag eines anhatte. Die Freunde, mit denen ich unterwegs war waren keine mehr. Besonders der Junge, für den ich etwas aufkeimendes, spannendes mehr empfand als nur Freundschaft sah ich nie wieder, weil ich nicht wollte.

Meine erotischen, sexuellen Phantasien haben zu 99% mit Gewalt zu tun, ich bin immer Opfer und Täter gleichzeitig.

Normalerweise, wenn ich diese Geschichte erzähle reagiert mein Körper, immer. Ich bekomme Körperflattern. Mein ganzer Körper gerät in eine äußerst unangenehme, unregelmäßig Erregung, ich empfinde es als Schockzustand. Heute befreit es mich ein wenig und mein Körper bleibt beinahe ruhig. Ich habe diese Geschichte schon ein, zweimal aufgeschrieben, muss man, wenn man bestimmte Formen der Therapie beginnt. Und ich wollte noch etwas dazu sagen, habe ich aber vergessen und finde es nicht wieder im Moment.

Verloren habe ich mich nie gänzlich. Ein Teil in mir ist geblieben, sterben musste ich nicht.

Aber das ist alles.

Reden wollte ich als Kind nicht, obwohl meine Mutter sich Hilfe holte, ich habe sie damals nicht angenommen. Ich wollte nur nicht mehr daran denken, das war alles. Als ich mir Hilfe holen wollte verstand mich keiner mehr. Ich habe mit anderen Opfern, mit einigen Freundinnen gesprochen. Und ich kann damit leben. Aber ungeschehen wird es bis zum Tag meines Todes nicht sein.

Bis heute glaube ich, ein Mann kann nicht verstehen, was da bei mir abgelaufen ist. Oder will nicht, ein so schlechtes Männerbild, wie das meines Stiefvaters und des Fremden erträgt doch kein Mensch. Der Gedanke, dass dies mein Mneschnebild geprägt hat, weil Kinder ovn ihrer Umwelt geprügt werden ist unerträglich und gleichzeitig lächerlich, denkt man an Kindersoldaten.

Ich lebte noch einige Jahre vor mich hin, als mehr kann man es nicht bezeichnen, wurde zum Außenseiter meiner Klasse, was soweit ging, dass ich DAS Mobbingopfer meiner Klasse wurde. Ich wehrte mich nicht, weil es für mich nichts zu wehren gab.

Dann eines Tages, als meine Mutter mich bei einer Freundin abholen musste, weil mein Stiefvater zu Hause mal wieder ausflippte kam die Idee, dass ich weggehe, wenn sie es nicht kann. Ich war gerade vierzehn geworden, meine selbstausgewählte Taufe und Konfirmation stand an.

Ich ging nach Urspring. Mein Vater kündigte mir die Verwandschaft, die bis dato in Wochendbesuchen und tollen Urlauben und sogar Trost im Falle des Fremden bestand auf. Weil ich nicht zu ihm in die sich gerade neu formierende Stieffamilie kommen wollte.

Aber mein Leben begann. Ich war frei und dabei jugendlich erwachsen zu werden. Ich war unendlich unglücklich verliebt, wurde ausgenutzt, nahm mir, was mir gefiel und verliebte mich und verliebte mich. Ich hatte die allercoolsten Freunde vonWelt, ich begann zu kiffen und finde es bis heute die am besten zu mir pasende Droge. Alkohol macht aggressiv, erst die Tage habe ich es wieder sehen müssen, es endet darin, dass ich mich selbst verletzte. Das passiert beim Kiffen nicht. Ich lebte in einer dermaßen eigenen Welt, nur mit Freunden. Die Erwachsenen interessierten nicht. Davon hatte ich genug. Wir waren unsere eigenen Erwachsenen. Und am Ende habe ich auch noch einen von den wirklich coolen Jungs bekommen und war zum ersten Mal in meinem Leben glücklich verliebt. Es war eine wunderbare Zeit. Ganz mit mir alleine und nur auf mich bezogen, ohne Angst von außen. Geschützt und geborgen. Und selbstständig. Ich habe jeden Tag genossen, den ich nicht in der Nähe dieses kranken Types sein musste.

Dann war die Schulzeit zu Ende. Ich kam erst nach Nürnberg, dann zurück ins geliebte Schwäbische, wo ich Glück im Leben empfand. Dort bin ich heute. Ich lernte meinen jetzigen Mann kennen. Diese Beziehung ist das eigentliche, was in den letzten 10 Jahren passiert ist, neben meines Studiums. Das ich sogar abgeschlossen habe.


Doch nichts davon ergibt einen Sinn. Ich habe versucht zu heilen. Und fühle mich kränker als je zuvor. Ich weiss nicht mehr wer ich bin und sein will. Ich halte nichts von Vorurteilen gegenüber dem Islam, obwohl ich selbst geshen hab, was für kranker Mist im Namen dieser Religion verzapft wird. Jeder weiss, wo er am 11.09.01 war. Ich schrieb einen Brief an eine Klinik, in die ich mich einweisen wollte und schrieb an diesem Tag mittags um 12 etwas von Terror, den mein Stiefvater mit mir veranstaltet hatte. Ob mir je wer glaubt, dass ich das mittags um 12 schrieb, drei Stunden vor dem 11. September? Ich sollte einen Hass haben gegen Ausländer und besonders dieses frauen und menschenverachtende System, dass sich mit den Fahnen des Islam schmückt. Ist aber nicht so. Ich sollte Aversionen gegen alles orientalische haben. Habe ich aber nicht. Im Gegenteil. Manchmal habe ich eine unendliche Sehnsucht danach, ich identifiziere mich damit, obwohl mir das keiner je ansehen würde. Ich liebe keine Sprache auf der Welt so sehr wie persisch, es ist die schönste Sprache auf der Welt. Ich blondes, grosses deutsches Mädchen.

Nein, ich finde keinen Weg, keinen Zusammenhang. Nichts, was einen Sinn macht in mir. Nichts, was mir einen Weg deuten könnte in meine Zukunft. Nichts. Leere, Aggression, Trauer, Angst. Vor allem Angst und Agression. Und ein scheiss Männerbild.

Und jetzt? Habe ich einen verständnisvollen Mann, für den ich nichts empfinde, der mir mit seiner Verständigkeit, die er mir auch noch an Punkten entzieht, mit seiner weiblichen Art sowas von auf den Keks geht, das sich es kaum sagen kann.
Sehne mich nach Bösem, liebe den Sarkasmus eines Mannes, der beinahe noch ein Junge für mich ist, drehe und wende mich, kann nicht schlafen und entziehe mich dem Leben. Auch ohne Drogen.

Das ist mein Weg, aber wo er hingeht weiss ich nicht.
Das ist mein Leben, aber wozu, weiss ich nicht.
Das ist meine Sehnsucht, wie erfüllen weiss ich nicht.
Das sind meine Ängste, wie sie mildern weiss ich nicht.
Das ist mein Horror, wie ihn zu etwas sinnvollem wandeln weiss ich nicht.
Das ist meine Liebe, sie empfinden kann ich aber nicht.
Das bin ich, wer das sein soll, weiss ich aber nicht.